BYE-BYE SÜDSEE – TRAUM GEPLATZT

Jetzt hat Covid-19 auch meine Planungen zunichte gemacht. Meine Südseereise wurde kurzfristig abgesagt. Dabei saß ich schon auf gepackten Koffern. Heute Nachmittag wäre mein Zug nach Düsseldorf gegangen, wo mich ein Flieger über Dubai nach Auckland in Neuseeland hätte bringen sollen. Dort hätte ich ganz entspannt MS Bremen bestiegen, jenes kleine, schöne, von mir bevorzugte Expeditionskreuzfahrtschiff von Hapag Lloyd Cruises. Mit ihm hätte ich dann mehrere Wochen lang durch die Südsee gondeln sollen. Welch herrlicher Gedanke…

Doch jetzt heisst es: aus der Traum! Reisen ade. Erstmal. Offizieller Wortlaut der Reederei. „Aufgrund neuer Einreisebestimmungen, die die Anläufe von Kreuzfahrtschiffen mit noch weitreichenderen Restriktionen als bisher belegen, ist es uns leider nicht mehr möglich, die Reisen so durchzuführen, dass ein touristisch attraktiver Fahrplan geboten werden kann. Es ist außerdem zu befürchten, dass Anläufe von Kreuzfahrtschiffen in der Region schon bald komplett untersagt werden.“ Das bedeutet für mich: zu Hause bleiben. Home Office. Kulturelle und soziale Isolation. Schöner Mist. Ich bin verärgert, enttäuscht und frustriert. Dabei wollte ich die Welt erneut umarmen, entdecken und ihr neue Geheimnisse entlocken, so wie ich es schon mein Leben lang voller Inbrust mache. Stattdessen muss ich im Münsterland ausharren, ohne in Trübsinn zu verfallen.

Was macht man nun als Kosmopolit, als Fernreisender, als Abenteurer, als Globetrotter, der im eigenen Land eingesperrt wird und nicht mehr hinaus darf in die Welt? Ganz einfach, ich träume mich in die Reise hinein, die mir nun versagt ist. Ich wandere im Geiste über die isoliert im Süd-Pazifik liegende Vulkaninsel Norfolk, deren Bevölkerung zu einem Drittel aus den Nachkommen der berühmten Bounty-Meuterer von Fletscher Christian & Co. besteht. Sie waren 1856 von der 6000 km entfernten Insel Pitcairn nach Norfolk übergesiedelt. Eine tolle Story, die ich romantisch-verklärt versuche, nachzuempfinden. Wie gerne hätte ich auch die morbiden Überbleibsel der bis 1855 von den Briten genutzten Strafanstalt erkundet und dabei auf das tosende Meer geschaut.

Dann hätte ich mich ausgiebig dem bis heute sehr ursprünglichen Insel-Archipel Vanuatu gewidmet. Kreuz und quer durch seine 83 Vulkaninseln zu kurven, wäre für mich der Höhepunkt der Tour gewesen. Ich schließe die Augen und bin mitten drin in den stampfenden und schweißtriefenden Maskentänzen der Männer. Sie sind nur mit einem kostümartigen Bauchgurt bekleidet, einem geflochtenen Überzug für den Penis, sowie einigen Bananenblättern und Palmwedeln. An den Füssen tragen sie eine Art Glöckchen aus Nussschalen, die ihrem Auftritt durch die Geräusche eine besondere Note geben. Was hätte ich nur für eine der kunstvoll gestalteten, meterhohen Maskenkappen gegeben, um sie meiner privaten ethnografischen Sammlung zuzufügen!?

Jetzt geht es gedanklich weiter zur Insel Pentecost, um die legendären Lianenspringer vom Volk der Sa bei ihrer atemberaubenden Performance hautnah zu beobachten. Das riskante Spektakel heißt Gol und gilt als einzigartige Mutprobe, Initiationsritual und Männlichkeitsbeweis. Todesmutig stürzen sich die Männer nur an Lianen hängend von abenteuerlichen Sprungturm-Konstruktionen in die Tiefe. Beim puren Anblick dieses anarchischen Gebarens, das als Vorgänger des modernen Bunjee-Jumpings gilt, fühle ich mich sofort nach Zimbabwe versetzt, wo ich mich vor einem Viertel Jahrhundert selbst nur an einem Gummiseil hängend über einhundert Meter von einer Eisenbahnbrücke aus in die Tiefe Richtung Sambesi Fluss stürzte. Es war der schlimmste Angstmoment meines Lebens und ich frage mich bis heute, was um um Alles in der Welt mich geritten hat, dass ich mich zu so einer Wahnsinnstat habe hinreissen lassen.

Der Traum ist noch nicht vorbei und weiter geht’s durch die türkisblauen Fluten des West-Pazifiks Richtung Norden. Seit Monaten hatte ich mich schon auf ein Wiedersehen mit den Salomonen gefreut. Ich sehe sie unmittelbar vor mir, die paradiesischen Eilande, die idyllischen Dörfer und die unglaublich freundlichen Menschen. Ich spüre die Wärme und die sanfte Brise in meinem Gesicht. Da geht mir so richtig das Herz auf. Ruhe, Entspannung, Entschleunigung – einfach toll! Das muss jetzt warten bis die Welt sich beruhigt hat und Reisen wieder stattfinden können.