VOODOO-FETISCHE – MARKTBESUCH IN BENIN

Ich liebe Märkte. Überall auf der Welt ziehen sie mich magisch an, mit ihren schillernden Farben und undefinierbaren Gerüchen, dem chaotischen, einem Ameisenhaufen gleichenden Gewusel aus Menschen, Tieren und Fahrzeugen, dem geschäftigen Treiben und dem ohrenbetäubenden Lärm. Überall gibt es exotische und spannende Dinge zu entdecken. Näher kann man der Kultur eines jeden Landes nicht kommen und dieses grandiose Tohuwabohu in westafrikanischen Großstädten ist kaum zu toppen.

Zusammen mit meinen beiden Freunden erkunde ich den Süden des Vielvölkerstaats Togo. Das kleine Land liegt wie ein schmales Handtuch von 877 km Länge und gerade mal 56 km Breite eingeklemmt zwischen Ghana und Benin am Golf von Guinea und war von 1884 bis 1916 deutsche Kolonie. Die Hauptstadt Lomé hat an klassischen Sehenswürdigkeiten nur wenig zu bieten. Am ehesten interessiert mich der als besondere Touristenattraktion ausgeschriebene „Marché des Feticheurs“. Der wurde jedoch vor einiger Zeit von der Innenstadt in den Vorort Akodésséwa verlegt. Die Gegend ist wenig einladend. Verwahrloste Hütten, staubige Buckelpisten, rostige Autowracks, streunende Hunde und brennende Abfallhaufen. Was für die meisten Touristen eher unheimlich ist, schreckt mich jedoch nicht ab.

Auf dem Fetischmarkt werden die unterschiedlichsten Utensilien für alle Arten von Voodoo-Zeremonien angeboten. Doch steigende Touristenzahlen und zunehmende Artenschutz-Vorgaben tragen dazu bei, dass sich der Markt stark wandelt und sein einstiges, ganz besonderes Flair verliert. Zurück im Hotel mache ich meiner Enttäuschung Luft und der Rezeptionist meint, dass wenn wir uns für einen authentischeren Markt interessieren würden, wir besser im Nachbarland Benin aufgehoben wären. Gesagt, Getan.

Der Dantokpa gilt mit einer Fläche von zwanzig Hektar als größter Markt Westafrikas. Er liegt an dem großen Kanal, der die größte Stadt des Landes, Cotonou, in zwei Hälften teilt. Hier findet man so gut wie alles an exotischen Lebensmitteln und Handelswaren des täglichen Bedarfs. Es gibt einfach so viel zu sehen, dass ich gar nicht weiß, wohin ich zuerst schauen soll. Ich bewege mich durch ein Meer windschiefer Wellblech-Baracken in einem Labyrinth von engen, dunklen Wegen. Die Sonne brennt unerträglich heiß und der Schweiß rinnt in Strömen. Doch ich steuere direkt auf den abgetrennten Teil zu, der sich ausschließlich mit den Fetisch-Produkten beschäftigt.

Vor mir offenbart sich ein äußerst bizarres, naturkundliches Kuriositätenkabinett, das seinesgleichen sucht. Es dominieren die Körperteile aller möglicher exotischer Tiere, die mich zugleich begeistern und erschaudern lassen. Auf langen, grob zusammen gezimmerten Holztischen präsentieren sich hunderte von skelettierten Nagetieren neben Hundeschwänzen, halb verwesten Pfoten und gefleckten Fellstücken von Wildkatzen. Daneben liegen sauber aufgereiht riesige Büffelhörner zusammen mit Echsen-Krallen, Hühnerfüßen, aufgerollten Schlangenhäuten, getrockneten Seepferdchen, Krokodilschuppen und Skorpionsstacheln.

Mir werden lebende Mini-Chamäleons, vergilbte Krokodilzähne und schrumpelige Tierpenisse angeboten. Am skurrilsten sind sicherlich die mumifizierten Affenköpfe, die mich aus ihren toten Augen seltsam anstarren. Es ist ein erbärmliches, stinkendes und morbides Panoptikum, das meine Sinne komplett überfordert und doch kann ich meinen Blick nicht einen Moment von dieser Gruselshow lösen und entdecke wie in Trance immer neue, abstoßende und gleichzeitig faszinierende Tierpräparate.

In Plastikdosen warten fertige Zaubermischungen aus traditionellen Kräutern, Beeren und Blättern, gemischt mit Fragmenten von Rattenschädeln, Seesternen und bunten Vogelbalgen auf ihre Voodoo-praktizierenden Käufer, die der Yoruba-Tradition huldigen. Die Substanzen werden für traditionelle Zeremonien und bei geheimen Prozeduren benötigt, wie zum Beispiel Krankenheilungen oder Beschwörungsrituale gegen Flüche und Verwünschungen. Benin gilt als Ursprung des Voodoo-Glaubens – eine staatliche geschützte Religion und keine Hexerei – und Fetische sind in allen Schichten der Bevölkerung sehr stark verbreitet.

Ein Fetisch kann ein verstorbener Mensch, eine bestimmte Pflanze, ein Teil eines Tieres oder auch natürlichen Materials sein. Sein Einsatz und seine Macht hängt vom Ritual und von der Situation ab, wo die Einzelteile aktiviert und verstärkt werden. Dazu dienen auch die Voodoo-Puppen, die es in vielfältiger Ausführung zu kaufen gibt.

Früher hätte ich hier am liebsten ein wundersames Haarwuchsmittel gekauft, heute prägt mich beim Anblick der Bilder nur der Wunsch, das sich hier irgendwo in diesem abenteuerlichen Sammelsurium von Heilprodukten und zweifelhaften Zaubermitteln doch ein wirksamer Schutz vor Corona verbergen möge. Vielleicht entdeckt ein begnadeter Voodoo-Priester in den Rezepturen ein Heilmittel und kann es erfolgreich unter die Menschen bringen. Allein die Vorstellung, dass dieser unsägliche Virus in den dicht besiedelten Wohngebieten Westafrikas und der völlig übervölkerten Marktgegend des Dantokpa unkontrolliert um sich greift, sprengt jede Vorstellungskraft.