Der DODO – ausgestorben. Eine Spurensuche im Indik.
Beim Aufräumen stiess ich kürzlich auf eine Bierflasche, die ich mir als originelles Souvenir von einer Mauritius-Reise mitgebracht hatte. Darauf abgebildet ist der Dodo, der ein Nationaltier des Inselstaates mit hohem Symbolcharakter repräsentiert.
Der Anblick des eigentümlichen Laufvogels auf den bunten Flaschenetiketten brachte mich zum Lächeln, weil viele schöne Erinnerungen wach wurden, aber gleichzeitig machte er mich nachdenklich, denn der sympathische Dodo ist seit Jahrhunderten ausgestorben und wir, die Menschen, haben ihn auf dem Gewissen.
Die Geschichte des Dodos ist traurig, denn sie zeigt einmal mehr die Maß- und Zügellosigkeit des Menschen, seine Gier und die Respektlosigkeit vor den einzigartigen Schöpfungen der Natur. Oder ist es nur seine mangelnde Weitsicht und Gedankenlosigkeit, dem der Dodo zum Opfer gefallen ist? Der Dodo ist mit seinem Schicksal zwar nicht allein, aber er gilt als ein Paradebeispiel für eine vom Menschen ausgerottete Art und wird als solche in zahlreichen (populär-)wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Büchern als Negativ-Beispiel von Aussterbevorgängen aufgeführt.
Wenn ich das Wort „ausgestorben“ höre, denke ich zunächst an Tiere wie Dinosaurier, Wollmammuts oder Säbelzahntiger, die in prähistorischen Zeiten vor Jahrmillionen gelebt haben. Doch Wissenschaftler schätzen, dass im Verlauf der gesamten Erdgeschichte über 99,9 Prozent aller jemals entstandenen Spezies ausgestorben sind. Das sind Milliarden von Arten! Doch zu den in den letzten Jahrhunderten oder gar erst Jahrzehnten verschwundenen Tiere zählt nicht nur irgendein Vogel auf einer abgelegenen Insel, sondern auch imposante Vertreter der Tierwelt wie Beutelwolf, Schomburgk-Hirsch, Atlas-Bär, Berberlöwe oder der Auerochse. Und die Rote Liste der gefährdeten Arten wird von Jahr zu Jahr länger.
Der Dodo ist jedoch speziell. Wie könnte man ihn am besten beschreiben? Es war ein sogenannter „kapuzentragender Nachtvogel“. Er war etwa einen Meter groß, wog über 20 Kilogramm, trug ein blaugraues Gefieder und einen aus wenigen gekräuselten Federn bestehenden Stummelschwanz. Er hatte einen etwa 23 Zentimeter langen, dunklen, gebogenen Schnabel mit einem rötlichen Punkt. Seine Flugunfähigkeit verdankt er den winzigen Flügeln und der schwachen Brustmuskulatur. Er lebte ausschließlich auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean, ernährte sich von vergorenen Früchten und nistete auf dem Boden.
Im Staatswappen von Mauritius ist der Dodo einer der Schildhalter. An ihn erinnern auch Münzen, die 1971 von Mauritius herausgegeben wurden.
Die seltsamen Proportionen mit dem plumpen, fast rundem Rumpf, liessen ihn unbeholfen wirken. Ursprünglich hatte er keine Fressfeinde und verfügte über kein Flucht- oder Verteidigungsverhalten. Die Zutraulichkeit des Dodos und seine Flugunfähigkeit machten den wahrhaft schrägen Vogel für Menschen zu einer leichten Beute. Sein Frischfleisch – als wenig wohlschmeckend beschrieben – war trotzdem für lange Seefahrten geeignet und auch seine Eier wurden von Seeleuten in Massen gegessen. Ein weiterer Grund für das Aussterben der Dodos dürften eingeschleppte Ratten sowie verwilderte Haustiere wie Schweine und Affen gewesen sein, die die Gelege der bodenbrütenden Vögel zerstörten, indem sie ihre Eier fraßen.
Warum sterben Tiere überhaupt aus? Nicht nur die Unkenntnis der langfristigen Folgen invasiver Arten sorgen auch heute noch für Zerstörung von Ökotopen und dem Auslöschen von Tierpopulation. Viele Kleintiere werden als Schädlineg angesehen und größere fleischfressende Beutegreifer werden als Konkurrenz für Viehherden und als potentielle Gefahr für Menschen betrachtet und dementsprechend gnadenlos verfolgt. Sie werden wegen ihres Fleisches und ihrer Haut Opfer von Überfischung und Überjagung oder dienen wegen angeblicher sexueller Stimulation als Aphrodisiaka oder gar als Schönheitsmittel in Ländern wie China. Zukünftig stellt auch der Klimawandel eine Bedrohung natürlicher Habitate dar. Landwirtschaftliche Umnutzung sorgt ebenso wie Dürre, Temperatur- und Wasserspiegelanstieg für unwiederbringlichen Lebensraumverlust und die mangelnde Anpassungsfähigkeit vieler Tiere sorgt für das rapide Ende millionenjähriger Evolutionsprozesse.
Zurück zum Dodo. Im goldenen Zeitalter der niederländischen Seefahrt im 16. und 17. Jahrhundert stand der imposante Laufvogel mit für Exotik und die Größe der Entdeckungen der Nation. Der erste europäische Bericht über die Art stammt von einer niederländischen Ostindien-Fahrt des Jacob Cornelisz van Neck im Jahr 1598. Eine Gruppe von Seeleuten, die nach einem Sturm zur Suche nach Wasser und Vorräten auf die unbewohnte Maskarenen-Insel geschickt worden war, kehrte mit einigen der flugunfähigen Vögel zurück. Die Dodos zeigten Menschen gegenüber keine Scheu und genau diese Zutraulichkeit wurde ihnen zum Verhängnis.
Die Bezeichnung Dodo tauchte erstmals 1634 in einem Bericht des Reiseschriftstellers Thomas Herbert auf. Der Ursprung des Wortes ist unbekannt und wird daher kontrovers beschrieben. Eine Theorie besagt, dass Dodo von dodaars stammt, dem niederländischen Namen des ebenfalls schlecht laufenden Zwergtauchers. Es könnte auch eine Ableitung des veralteten portugiesischen doudo sein, was in etwa „Narr“ oder „Einfaltspinsel“ bedeutet, da der nichtsahnende Vogel den Menschen immer sehr nahekam und es Ihnen leichtmachte, ihn zu erlegen. Vielleicht war es aber der zweitönige taubenähnliche Ruf, der sich wie doo-doo anhörte, der dem Tier seinen Namen gab.
Erste lebensechte Abbildungen des Dodos wurden erst 1896 vom Ornithologen Alfred Newton publiziert, sollen jedoch bereits 1601 im Schiffsjournal des Seglers Gelderlandt erschienen sein. Künstlerische Darstellungen zeigen den Dodo oft in exotischer Landschaft. Eine der wenigen realistischen Abbildungen eines lebenden Dodos schuf einer der berühmtesten Miniaturmaler des indischen Mogulreiches, Ustad Mansur, zu Beginn des 17. Jahrhunderts.
Es gab lange weltweit kein vollständig erhaltenes Skelett eines Dodo. Erst 2016 kam ein nahezu vollständiges Exemplar in London von einem Privatsammler zur Versteigerung.
Über die Gründe der Popularität gerade dieser für das gewöhnliche Schönheitsempfinden eher unästhetischen Art ist viel spekuliert worden. Die Ursache könnte im berühmten Kinderbuch Alice im Wunderland von Lewis Carroll zu finden sein, wo der Dodo 1865 im dritten Kapitel erwähnt wurde. Mit der Popularität des Buches wuchs auch der Bekanntheitsgrad des sympathischen Federtieres. Carroll inspirierte vermutlich der mumifizierten Dodo-Kopf im Naturkundemuseum von Oxford.
Und die Moral von der Geschichte? Im Jahr 1690 berichtete der Engländer Benjamin Harry zum letzten Mal von einem Dodo auf Mauritius. Für andere Historiker stammt der letzte glaubwürdige Bericht bereits aus einer Erzählung über den Untergang einer holländischen Flotte unter Admiral Arnout de Vlaming im Jahr 1662. In jedem Falle war der Dodo bereits weniger als 100 Jahre nach seiner Entdeckung ausgerottet. Geblieben ist bis heute nur der Dodo als Sinnbild des Verlustes der Biodiversität der Erde und ein überaus beliebtes Motiv einer Biermarke auf La Reunion und Mauritius im Indischen Ozean mit Namen Bourbon.
Geblieben ist auch die englische Redensart „Dead as a dodo“, die für die Endgültigkeit einer Sache steht. So bleibt der Dodo zumindest im Alltag in Erinnerung als ein unschuldiges Opfer der scheinbaren Unvereinbarkeit von Mensch und Natur. Für einen Nachruf ist das zwar ziemlich traurig, könnte jedoch ein Appell sein, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.