DER PERFEKTE REISEPARTNER

Was zeichnet den perfekten Reisepartner aus?  Wie sollte er sein, speziell für meine Hardcore-Expeditionen? Abenteuerlustig muss er sein, neugierig, unerschrocken und mutig. Er geht mit mir durch dick und dünn, steht Zuversicht ausstrahlend und muteinflößend an meiner Seite. Er erklimmt enthusiastisch die Höhen der Berge des Himalaya und erträgt klaglos die Niederlagen, wenn ein Expeditionsziel in Amazonas mangels passender Beförderungsmittel nicht erreicht werden konnte. Er motiviert mich, sichert mich ab, hinterfragt wohlwollend meine Motive, steht aber im Zweifelsfall vorbehaltlos hinter mir. Er reist mit mir bis ans Ende der Welt – und zurück.

Den passenden Reisepartner für eine Expedition zu finden und auszuwählen, gehört zu den herausforderndsten Aspekten einer ganzen Unternehmung. Je ungewöhnlicher die Reise, je extremer das angepeilte Ziel, um so schwieriger ist die Aufgabe zu lösen, einen Begleiter ausfindig zu machen, den ich mir wünsche. Dessen Profil und Persönlichkeit sich perfekt den individuellen Erfordernissen einer so speziellen Reise und meinen eigenen Bedürfnissen anpasst. Kaum eine echte Abenteuerdestination lässt sich in weniger als vier Wochen erreichen, oftmals muss sogar mehr Zeit eingeplant werden, um Unwägbarkeiten wie z.B. verzögerte Erteilung von Genehmigungen zum Bereisen von Sperrgebieten in Äthiopien oder ausserordentliche Regenfälle, die ein Durchqueren von Flüssen in Indien unmöglich machen, zeitlich auffangen zu können. „Normale“ Arbeitnehmer mit wenigen Wochen Jahresurlaub scheiden aus und Familienväter haben meist andere zeitliche Prioritäten. Wer über das passende Maß an Zeit und Geld verfügt, muss zusätzlich die richtigen Voraussetzungen mitbringen.

Dazu zählen einerseits die üblichen Anforderungen wie Offenheit und Toleranz, Neugier und Begeisterung für alle denkbaren Unterschiede zwischen Land und Leuten, Kultur und Mentalität, Religion und Sprache, Sitten und Gebräuche. Andererseits ist Mehrsprachigkeit in Südamerika gefragt, geübter Umgang mit interkulturellen Besonderheiten in China und alle denkbaren Outdoor-Kenntnisse. Wie biwakiert man in der angolanischen Wüste? Wie bereitet man mit Piranhas eine schmackhafte Dschungelküche zu? Welcher Umgang mit Kanus scheint bei Stromschnellen in Borneo angebracht? Sollte man in Nepal überhaupt aufs Pferd steigen? Sind besondere Kletterkünste in den Felsformationen Mauretaniens sinnvoll? Helfen fundierte Trekkingkenntnisse beim Durchsteigen einer Schlucht in Benin? Viele Fragen, auf die kein Reiseführer eine passende Antwort bietet. Ganz zu schweigen vom adäquaten Umgang mit korrupten Behörden im Kongo, Naturkatastrophen auf den Philippinen, Schutz vor Tropenkrankheiten oder Behandlung möglicher Verletzungen. Aber genau dafür braucht man Menschen, die sich auf ständig neue Herausforderungen freuen. Die gesegnet sind mit dem Können und dem Wollen und über ein übergroßes Maß an Improvisationstalent verfügen. Die ganz selbstverständlich die Führung übernehmen, wenn ich am Ende meiner Weisheit oder meiner Kräfte bin. Wobei der wirkliche Erfolg überwiegend im Kopf stattfindet und sich nicht über die Muskelmasse der Beine definiert. Die wünschenswerten Erfordernisse reichen vom Wagemut zum Durchqueren von Regionen mit Straßenräubern in Mali oder Guerillas in Kolumbien über die Fähigkeit eines nächtlichen Gewaltmarsches in Nepal bis zur konstruktiven Risikoeinschätzung, inwieweit man eine morsche Brücke in Neuguinea überhaupt noch benutzen sollte. Und der gleichzeitigen Präsentation eines Plans B.

Jede Hochgebirgstour, Dschungelexpedition oder Wüstendurchquerung bedarf spezifischer Erfahrungen auf sehr vielen Gebieten, wobei sich alle Teilnehmer kompetent ergänzen sollten. Niemand kann und weiß alles und braucht die richtigen Partner. Sofern man so eine Person gefunden hat, die abgesehen von seinen langjährigen Erfahrungen, vielfältigen Qualifikationen und physischen Voraussetzungen auch noch menschlich zu einem passt, mit der man gerne unterwegs ist und mit der man sogar sein feuchtes Zelt teilen möchte, ist mehr als fraglich. Ich hatte das Riesenglück, in meinem Leben gleich mehrere solcher aussergewöhnlichen Menschen  zu finden. Heute möchte ich euch gerne nur zwei Personen vorstellen: Peter und Bernd.

Während meiner Studienzeit in Stuttgart trafen sich einmal im Monat eine Vielzahl von Globetrottern aller Couleur im Hinterzimmer einer Kneipe. Reihum wurden in Form der klassischen Diavorträge die neusten Reisen präsentiert. Hier konnte man die richtigen Kontakte knüpfen, um vielleicht auch einen passenden Partner für die nächste Tour zu finden. Genauso war es auch. Ich traf auf Bernd, Hauptkommissar aus Stuttgart, und Peter, Zahnarzt aus Düsseldorf. 1993 unternahmen wir die erste Trekking-Expedition zusammen, die uns in das bis dato verbotene Königreich Mustang im Norden Nepals führte. Eine unglaubliche Reise in das mittelalterliche Tibet, das vor uns nur wenige Menschen aus unserem Kulturraum weltweit je betreten haben. In Mustang lernten wir uns kennen und schätzen und im Laufe von nunmehr fünfundzwanzig Jahren hat unser Dream Team zehn weitere Expeditionen gemeistert.

Wir durchquerten die Danakil-Wüste Äthiopiens, befuhren Seitenarme des Amazonas in Brasilien, bestiegen die Alantika-Berge von Kamerun, quälten uns durch den Dschungel Neuguineas, fuhren tausende von Kilometern durch die Sahara und kämpften uns durch Schneestürme auf dem Weg zum heiligen Berg Kailash in West-China. Allein? Keine Chance.

Doch was passiert, wenn gleich drei Alphatiere in Extremsituationen aufeinander treffen? Sie streiten sich! Jeder ist überzeugt, bei Problemen die richtige Lösung präsentieren zu können. Seine! Der Erfolg und Misserfolg dieser Touren, die uns allen physisch und mental alles abverlangten, basiert auf dem Miteinander, dem Teamwork, der Toleranz, auf der Kunst, sich zurückzunehmen und sich unterzuordnen, wo es die Situation erfordert. Jeder Einzelne muss bereit sein, sein Ego im Interesse des gemeinsamen Zieles  hinten anzustellen und die Fähigkeit besitzen, im Ernstfall über sich hinauszuwachsen. Beides wurde sehr oft auf eine harte Probe gestellt.

Dutzendfach lernten wir in der Schwüle des ugandischen Bergmassivs, der Hitze der Sahara und der Kälte Tibets, die individuellen Stärken und Schwächen der Anderen kennen, von ihnen zu profitieren oder sie zu akzeptieren. Letzten Endes sind Bernd, Peter und ich an unseren unvergesslichen Erlebnissen und den gemeinsam durchgestandenen Herausforderungen unglaublich gewachsen. Was uns verbindet, ist einerseits die grenzenlose Begeisterung für adrenalingeladene Abenteuer. Andererseits ist da die gemeinsame Suche nach den unerforschten Ecken der Welt und den kulturellen Mysterien ursprünglich lebender Volksgruppen. Dann ist da die gespürte Intensität des Privilegs, direkten Kontakts mit bedrohten Tieren aufnehmen zu können, die die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben vermutlich nur im Zoo zu Gesicht bekommen. Nicht zuletzt denke ich an dieses wunderbare Gefühl, sich in der Wildnis völlig hingeben zu können und hautnah zu spüren, das wir ein untrennbarer Teil der Natur sind. Diese Gedanken und Gefühle mit Bernd und Peter teilen zu können, ist das eigentliche Glück. Deshalb wurden aus meinen unverzichtbaren Reisepartnern echte Lifetime-Freunde.