KLEINE KUNSTWERKE OPFERGABEN AUF BALI
Auf der Suche nach cineastischer Heilung meines momentanen Fernwehs, stieß ich kürzlich auf die amerikanische Bestsellerverfilmung „Eat – Pray – Love“ aus dem Jahr 2010 mit Julia Roberts in der Hauptrolle. Die Protagonistin, Elizabeth Gilbert, hat einen guten Job, keine Geldprobleme und führt trotzdem ein sinnentleertes Leben. Sie reist deshalb nach Italien („Eat“), nach Indien („Pray“) und letztlich nach Bali (“Love“) auf der Suche nach Erfüllung und sich selbst. Der Film mag eine Glücksformel fürs Leben etwas vereinfacht darstellen, aber er erinnert mich doch an die wunderbaren Zeiten, die ich auf der Insel Bali verbracht habe.
Wann immer ich auf Bali bin, spüre ich „eat, pray und love“ – drei Grundbedürfnisse des Menschen – in nur einem, fast unscheinbaren Zeugnis der balinesischen Kultur: den Reisopfern. Nur darüber möchte ich heute berichten und nicht – wie man es sonst in jedem Reisebericht liest – über die majestätischen Tempelanlagen, pink-roten Sonnenuntergänge und saftig-grünen Reisterrassen.
Bali ist zweifelsfrei ein wunderschönes Fleckchen Erde und bietet eine einzigartige Kultur, ursprüngliche Natur und meditative Ruhe, die mich seit Jahrzehnten in ihren Bann zieht. Bali wird als „Insel der Götter“ bezeichnet, wobei man nicht verkennen sollte, dass die negativen Folgen des Massentourismus auch an Bali nicht vorbeigegangen sind. Trotzdem ist es für mich ein verwunschenes Paradies, wo ich jedes Mal aufs Neue kleine Entdeckungen mache, die mich faszinieren und inspirieren.
Auf Schritt und Tritt begegne ich fantasievollen Zeugen der hinduistisch-mystischen Welt balinesischer Götter. Überall sind kleine Schalen zu sehen, die auf Gehsteigen, auf Mauerstücken oder in Schreinen stehen. Es sind meist aus Palmblättern geflochtene, kleine Körbchen und enthalten Blumen, Öle, Salz, Geldscheine und oft die Zutaten des Betelbissens. Damit bezeichnet man die Früchte der Betelpalme, kleingehackt und eingewickelt in die Blätter des Betelpfeffers, die mit Kalk bestrichen werden. Als Ausgleich des bitteren Geschmacks, werden gerne Gewürze wie Pfefferminze, Lakritze oder Kautabak hinzugefügt.
Das spirituelle und religiöse Leben der Balinesen findet eine starke Unterscheidung zwischen guten und bösen Einflüssen. Als „suci“, „ening“ oder „nirmala“ werden segensreiche Orte bezeichnet, die rein, sauber oder von Menschenhand gereinigt und mit Hilfe der Götter geweiht sind, wie z.B. Berggipfel, Quellen und die Sonne. Hier haben böse Mächte keine Kraft, hier ist man sicher. Man muss den guten Mächten jedoch regelmäßig Opfer bringen, um die Dämonen fernzuhalten. Die kunstfertigen, und liebevoll gestalteten Blumen-Arrangements dienen als alltägliche Opfergabe oder auch als Mitbringsel bei Tempelfesten und Beerdigungszeremonien.
Den Gegenpol bieten böse, unheimliche oder gefährliche Orte, die man als „tenget“ oder „angker“ bezeichnet wie beispielsweise Begräbnisplätze oder Wegkreuzungen. Hier könnten sich „Bhuta Kala“ tummeln, Spukgeister und Totenseelen, und deshalb meiden die Menschen solche Orte in der Dämmerung oder gar Dunkelheit. Balinesen versuchen, durch ihren spirituellen Glauben und ihr rituelles Verhalten die richtige Balance zwischen guten und bösen Mächten zu finden und ein glückliches und friedliches Leben führen zu können.
Die Grundbestandteile einer balinesischen Opfergabe sind Feuer, Wasser, Reis und Blumen. Reisopfer gehören zu den kleinsten Opfergaben und da Reis als absolutes Grundnahrungsmittel täglich gekocht wird, finden sich solche kleinen Gaben vor nahezu jedem Gebäude auf Bali, selbst vor Banken, dem Flughafen und in allen Gärten, wie dem tropisch zugewuchertem Zugang zu meinem in Ubud bevorzugten Bungalow. Vor allem die vielen Blumen, wie duftende Frangipani und leuchtend rote Hibiskus-Blüten, machen die kleinen Kunstwerke zu einem wahren Fest für alle Sinne.
Geopfert wird dem Gott des Herdfeuers, Brahma, auf der Kochstelle, dem Gott des Wassers, Wisnu, auf dem Rand eines Wasserbehälters und Déwi Sri, der Reisgöttin im Reisspeicher. Der Reis wird auf quadratisch zugeschnittene Bananenblätter gelegt Opfer sorgen bei den Göttern für gute Stimmung und als Gegenleistung bekommt man für sich und seine Familie Schutz, Gesundheit oder auch gute Ernten.
Für einen Hollywood-Film mag „eat, pray, love“ ein sinnstiftendes Mantra sein. Doch denke ich an Bali, dann sehe ich spontan diese so intensiv duftenden Bananenblätter voller Reis und Blüten vor mir und freue mich über dieses Sinnbild eines harmonischen Lebensgefühls. Diese einfachen Opfergaben zeigen mir, dass es für die Balinesen nicht mehr braucht als ein paar Zutaten aus der Natur, ein wenig Fantasie und echte Hingabe, um eine Verbindung zu den Götter herzustellen und sie gütig zu stimmen. Kleine Gabe, große Wirkung. Beeindruckend.