MY PERSONAL BUDDHA THAILAND MEETS GERMANY

In den letzten Wochen habe ich viel Zeit im Garten verbracht. Immer wieder bleibe ich vor einem besonderen Reisesouvenir stehen, dass wir uns vor zwölf Jahren aus Thailand mitgebracht haben. Es ist ein großer, bronzener Buddha, der – eingebettet in hohe Zebra-Gräser vor einem Bambus-Baldachin sitzend – unser Haus in Emsdetten bewacht. Ich schaue die schwere Statue gerne an. Sie strahlt eine unglaubliche Ruhe aus und diese überträgt sich auf mich. In den turbulenten Zeiten von Corona ist es eine Wohltat, einen stabilen und zuverlässigen Ruhepol um mich zu wissen.

Der Gesichtsausdruck ist in sich gekehrt, friedlich und entspannt. Er ist so ganz anders als ich mich selbst derzeit fühle. Gerne hätte ich etwas von seiner offensichtlichen Ausgeglichenheit, die mir Kraft gibt, Energie spendet und die scheinbar nichts aufregen kann. So als ob er ein Geheimnis kennen würde, einen Weg zur inneren Balance, die sich durch die äußere Zufriedenheit, vielleicht auch der Akzeptanz dessen, was man ohnehin nicht beeinflussen kann, in perfekter Weise ausdrückt. Dieser Buddha ist mein Fels in der Brandung.

Natürlich erinnert er mich täglich aufs Neue an eine wunderbare Zeit in Thailand zwischen farbenprächtigen Tempeln und Pagoden und dem morbiden Charme untergegangener Reiche. Die Fülle der thailändischen Kultur und Geschichte, die jeden Reisenden auf Schritt und Tritt umgibt, ist regelrecht spürbar. Die Präsenz unterschiedlichster Buddha-Figuren und -Darstellungen scheint ebenso grenzenlos zu sein. Es sind plastische, meist idealisierte Abbilder des Buddha, die nicht als Kunstwerk zur Dekoration geschaffen wurden, sondern um den Betrachter an Buddha zu erinnern oder um ihn zu belehren.

Jedes Detail der Körperhaltung eines Buddhas ist von Bedeutung. Nichts ist zufällig. Unser Buddha zeigt die Unterwerfung des Mara. Das ist der Gegenspieler des Buddha Shakyamuni und repräsentiert im Buddhismus das Prinzip des Todes und des Unheils. Mit Shakyamuni (‚der Weise aus dem Geschlecht von Shakya‘) bezeichnet man die Person Siddhartha Gautama, geboren 563 v.Chr. in Lumbini, dem Begründer des Buddhismus. Er wird im Allgemeinen als der historische Buddha (der „Erwachte‘) bezeichnet.

Unser Buddha sitzt in der klassischen Yoga-Position. Die linke Hand liegt im Schoß mit der Handfläche nach oben. Diese Position wird auch ‚Die Erde als Zeugen anrufen‘ genannt. Auf Thai heisst das ‚pang man wichai‘. Eine sehr schöne Beschreibung, diese körperliche und geistige Erdverbundenheit. Sie passt zu dem Buddha in unserem Garten. Sie stellt eine feste Verbindung her zwischen der Natur und dem Menschen.

Wir haben sehr lange nach einem zu uns passenden Buddha gesucht. Die Größe, die Proportinen, die Körperhaltung und der richtige Gesichtsausdruck mussten passen und uns spontan zusagen und ansprechen. Was die wirkliche Qualität eines Buddhas ausmacht, ist unerklärlich, aber wenn eine geistige Verbundenheit fehlt, ist es nur ein Dekorationsstück und das war uns zu wenig. In einem Antquitätengeschäft in Bangkok fanden wir schließlich ‚unseren‘ Buddha – etwa sechzig Jahre alt und aus dem Norden Burmas stammend. Als er viele Wochen später sicher verpackt in einer Holzkiste bei uns angeliefert wurde, war die Freude ebenso groß wie die anfangs skeptischen Blicke der eher konservativen Nachbarn.

In Thailand erscheinen Buddhas oft nur als touristische Sehenswürdigkeit. Berühmtestes Beispiel hierfür ist der ‚Phra Non‘, der große liegende Buddha im Tempel von Wat Pho in Bangkok. Der riesige Buddha liegt auf seiner rechten Seite in ruhender Position. Die rechte Hand unterstützt den Kopf, während die linke Hand ausgestreckt an seiner linken Seite liegt. Seine goldene Mönchsrobe wird in der traditionellen offenen Art getragen, wobei der rechte Arm unbedeckt bleibt. Die Pose ermöglicht den Blick auf die Fußsohlen, wo 108 Glückssymbole wie eine Art Verzeichnis von mystischen, mythologischen und kosmologischen Ideen als Perlmutt-Einlegearbeiten in die Fußsohlen eingearbeitet wurden. Die heilige Zahl 108 findet man in vielfältiger Weise in asiatischen Relionen. Beispielsweise besteht eine Mala (Gebetskette) aus 108 Perlen zur Wiederholung eines Mantras, hinduistische Gottheiten haben 108 Namen und der kosmische Tanz der glücksverheißenden Hauptgöttin des Hinduismus, Shiva, umfasst genaut 108 verschiedene Schritte. Die ziselierten Linien auf den Sohlen sind eine dekorative Pracht, doch mir war diese Buddha-Darstellung eigentlich zu aufdringlich und ich spürte keine spirituelle Verbindung.

Im Gegensatz dazu faszinierte mich ein ganz anderer Buddha. Ich nahm mir viel Zeit, zwischen den Ruinen der ehemaligen Altstadt von Ayutthaya, der einstigen Hauptstadt des Königreichs Siam, die im Jahre 1351 gegründet wurde, zu wandeln, und in diesem Stein-Labyrinth mit seinen zerfallenen Grabstätten und Befestigungsanlagen auf Entdeckungsreise zu gehen. Die steinernen Überreste der Tempel im historischen Park mögen eine große Attraktion darstellen, doch mich zog es zu einem bestimmten Banyan-Baum. In dem mächtigen, knorrigen Geäst ist ein Steinkopf des Buddhas fest eingewachsen. Man könnte fast meinen, dass er schläft. Eine gefühlte Ewigkeit verharrte ich vor dem bizarren Ensemble, während um mich herum die Kameras der Touristen pausenlos klickten.

Der Baum ist heilig und man darf sich ihm nur auf ein paar Meter nähern. Ich spürte trotzdem eine starke Aura, die von dem Kopf ausging und konnte mich der mystischen Atmosphäre kaum entziehen. Um zumindest den Kopf des wertvollen Stein-Buddha vor feindlichen burmesischen Truppen zu retten, die Ayutthaya bis zum Jahre 1767 fast vollständig zerstörten, vergruben ihn einst Gläubige unter den Wurzeln eines mächtigen Baumes. Eines Tages trat das Buddha-Antlitz wieder zu Tage und somit konnte die heilige Figur wieder das Licht der Welt erblicken – so die Legende.

Jetzt steht unser Buddha schon seit zwölf Jahren sicher verankert und leise lächelnd auf einem Fundament in unserem Garten. Die Erinnerungen an Thailand begleiten mich, wenn ich aus dem Fenster schaue oder auf der Terrasse sitze. Es ist ein Anblick, der mich jeden Tag aufs Neue erfreut und mich mit neuer Energie auftankt.